Endlich habe ich wieder die Wahl

… nämlich am Sonntag. Zum ersten mal darf ich mir meinen Landesvater für NRW heraussuchen. Nein, nicht weil ich noch so jung bin, sondern weil ich ja noch keine fünf Jahre in NRW wohne. Obwohl, wählen kann ich mir den Landesvater ja auch nicht – muss ja eine Partei wählen.

Ich denke es ist im Interesse meiner Leser, wenn ich keine gelben oder schwarzen Gesichter wähle. Die kann ich nämlich nicht mehr ersehen. Selbst bei hellrot bekomm’ ich Ausschlag.

In diesem Sinne: Happy Voting!

Netz-Anarchos und trojanische Pferde – Eine Replik

Ich bin gerade ein wenig überrascht und sprachlos zugleich. Warum? Durch diverse Kanäle im Internet (Twitter, Blogs etc.) bin auf folgende Kolumne in der Frankfurter Rundschau gestoßen.

Nach dem Lesen dieses Pamphlets — ich kann es leider nicht anders benennen — möchte man meinen, es hätte sich wieder ein Politiker aus der zweiten oder dritten Parlamentarierreihe gemeldet. Doch nein. Der Text wurde verfasst von Herfried Münkler, auch wenn man das nicht wirklich glauben mag.

Während meiner Studiums und noch darüber hinaus habe ich die Publikationen Herfried Münklers mit Gewinn gelesen, sowohl in prosaischer, als auch in wissenschaftlicher Sicht. Seine Ausführungen schienen sehr gut recherchiert und fundiert zu sein. Auch wenn ich seine Thesen und Schlüsse nicht immer teile, so waren diese klar durchdacht, basierend auf dem von ihm recherchierten Material schlüssig.

Aber — es musste ein »aber« kommen — die von Herfried Münkler geschriebene Kolumne grenzt an ein unreflektiertes, unfundiertes Geplappere, dem jegliche Recherche fehlt, dass ich mich ernsthaft frage, ob dieser Text tatsächlich aus seiner Feder stammt — ein Computer kann es augenscheinlich nicht sein.

Ins Detail:

Das Gesetzesvorhaben [Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet, Anm.] sollte bloß sicherstellen, dass das, was für Printmedien gilt, auch im Internet gelten soll: dass der Erwerb von Kinderpornografie unter Strafe steht.

Nun, dem ist bereits so (siehe §184 StGB). Und »bloß sicherstellen« eines bestehenden Gesetzes macht man am Besten wie? Genau. Indem man das Gesetz anwendet die Täter verfolgt und zur Rechenschaft zieht.

Die Freiheit des Internets müsse gegen staatliche Einflussnahme verteidigt werden.

Worin genau besteht die Freiheit des Internets? Worin besteht die Freiheit einer Telefonverbindung? Das Internet ist — technisch gesehen — ein Medium zur Informationsübertragung und Kommunikation. Die Teilnehmer dieses Internets und die darin übertragenenen Informationen unterstehen der schon bestehenden Gesetzgebung. Genau so wie ich für eben diesen Text haftbar bin. Die Freiheit des Internets besteht in einem primär technischen Sinne, welche die traditionellen Beschränkungen für die Kanäle von Informationsbeschaffung, -weitergabe und Kommunikations verkleinert. Nur aus ebendiesem Grund kann hier ich zu dieser Replik ansetzen. Dessen ungeachtet verfällt die Haftbarkeit in zivil- oder gar strafrechtlichem Sinne nicht. Die Freiheit, wovon Herfried Münkler meint es wäre die Freiheit des Internets, die versucht wird zu verteidigen, ist die Freiheit, die auch im »realen« Leben verteidigt wird: Die Freiheit des Informationsaustausches, die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Informationsbeschaffung ohne Zensur.

Diese Position einer prinzipiellen Verbotsabwehr verbindet sich mit der Auffassung, in der virtuellen Welt des Internets hätten die Eigentumsansprüche, wie sie in der realen Welt erhoben werden, keine Geltung, sondern müssten einer kostenfreien Nutzung durch alle zugänglich sein.

Im diesem Abschnitt schwingt Herfried Münkler über zur Debatte über geistiges Eigentum, Online-Piraterie, Heidelberger Appell und Open Access und wirft die Gegner einer Internetzensur mit den Befürwortern von veränderten Nutzungsrechten in einen Topf. Da beide Debatten primär nichts miteinander zu tun haben, werde ich mich dazu nicht weiter äußern, da diese Vermischung und Verallgemeinerung nicht statthaft wäre. Das ist eine ganz andere Baustelle.

Es ist eine eigentümliche Schar, die sich unter dem Banner der Netzfreiheit versammelt hat. Einerseits kriminelle Geschäftemacher, die das Internet benutzen, um verbotene Produkte an den Mann zu bringen, und andererseits ein Ensemble von Freiheitskämpfern, die ihre anarchistischen (kein Staat!) oder kommunistischen Ideen (kein Eigentum) in der virtuellen Welt des Internets realisieren wollen.

Da das Internet kein rechtsfreier Raum ist, könnte ich Herfried Münkler für diesen Absatz belangen. Da ich aber die seine Meinungsfreiheit über meine Befindlichkeiten stelle, lass ich den Absatz einfach so stehen. Er spricht von selbst Bände.

Angelpunkt dieser Argumentation ist die Annahme einer ontischen Differenz, die Realität und Virtualität tatsächlich und wirksam voneinander trennt. Die Trennbarkeit beider Welten ist die Voraussetzung dafür, dass in der virtuellen Welt nicht gelten muss, was in der Realität unabdingbar ist: dass die Freiheit des einen an der Freiheit des anderen ihre Grenze hat und dass diese Einsicht die Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung ist.

Nun ist aber gerade die Nutzung kinderpornografischer Internetseiten ein Beleg dafür, dass der ontische Graben an einigen Stellen übersprungen werden kann: Die Bilder vergewaltigter Kinder entstammen der Realität; nur deswegen sind sie in der Virtualität kapitalisierbar.

Wenn Herr Münkler schon Begriffe wie »ontische Differenz« benutzt, will ich nur kurz darauf hinweisen, dass das »Sein« nicht ohne das »Seiende« und umgekehrt sein kann. Diese herbeifabulierte Trennung von Internet und Realität gibt es nicht, weder im realen/virtuellem Sinne noch im von ihm postulierten philosphischen Sinne.

Wäre Herfried Münklers Text nicht gespickt mit einem philosphischem Verweis und wäre Kinderpornografie und Zensur nicht so ein ernstes Thema würde ich seinen Text als zu ignorierende Polemik in einer mir unbedeutenden Zeitschrift abtun. Da dies aber nicht so ist: »Thema verfehlt, schlecht (bis gar nicht) recherchiert, durchgefallen«.

Rebloggeria: Amoklauf, Gewalt und die Killerspiele

Da in den Medien immer wieder die selben »Experten« vor die Kamera gezerrt werden bzw. jene es auch nicht lassen können in jedes ihnen vorgehaltene Mikrofon ihr »Expertenwissen« zum Verhältnis von Gewalt und Computerspielen zum Besten zu geben, verblogge ich nochmal kurz die bisherigen Ausführungen, die dazu auf hier auf YaBlo bisher erschienen sind:

Bruche mer nit, fott domet

Ich fordere ein Verbot aller Schützenvereine und das Verbot jeglichen privaten Schusswaffenbesitzes!

Und wehe es kommt mir nochmal einer von wegen Computerspielen …

Bekehrung und Todesstrafe

Der prominente Anwalt Rolf Bossi hat im FOCUS die Einführung der Todesstrafe gefordert. Über die Verdienste des Mannes vermag ich nicht zu urteilen, es fällt allerdings auf, dass er in den letzten Jahren regelmäßig mit ziemlich emotionalen Ausbrüchen die Gerichte beschäftigt. Seine jeweils eigene Position ist immer die absolut richtige, von Selbstkritik geplagt ist der gute Mann augenscheinlich eher wenig und es macht nicht den Anschein, dass sein zunehmendes Alter (aktuell 84) hier positive Auswirkungen hat. Nun also die Forderung nach der Tötung von Mördern, die unter einem “sadistisch-perversen Tötungsimpuls” leiden und nicht therapierbar seien. Berücksichtigt man die im SPon-Artikel festgehaltene Äußerung, dass Bossi einmal das Bewusstsein dafür, dass manche Täter krank wären und dies für die Urteilsfindung wichtig sei, in die Gerichte getragen habe und er dadurch für mildere Strafen eben dieser “kranken” Täter, die er jetzt umbringen will, gesorgt hat, stellt sich die Frage, wie Bossi seine frühere Tätigkeit diesbezüglich einschätzt. Leider sind bisher jedoch nur Ausschnitte aus dem Interview online zu lesen, darunter auch die Begründung für Bossis offensichtlich neue Haltung: seine Bekehrung zum Christentum. Seine Argumentation verläuft anscheinend folgendermaßen: Gott als Schöpfer verpflichtet uns als seine Geschöpfe, das Beste aus unseren Leben zu machen und wenn man weiß, dass jemand dies nicht schafft/schaffen kann, kann man ihn auch gleich umbringen, weil er schließlich irgendwann sowieso stirbt und die Zeit bis dahin nur sinnlos vergeudet. Mag man sich schon fragen, wie “das Beste” allgemeingültig definiert werden kann, so scheint mir bei Bossi besonders bedenklich, dass er die Todesstrafe gar nicht erst darüber zu rechtfertigen sucht, dass sie abschreckende Wirkung haben könnte oder aber das zukünftige neue definitiv Taten ausgeschlossen werden, was beides bei auch langjährigen Haftstrafen zweifellos nicht automatisch der Fall ist. Nein, es geht hier augenscheinlich allein um das Auslöschen eines Lebens, das nicht mehr den Maßstäben, die Bossi als seine oder als göttliche (bei ihm wahrscheinlich identisch) ansieht, genügt. Man muss die furchtbaren Taten, um die es hier geht, nicht verharmlosen oder die Opfer vergessen, um hinter einer solchen Argumentation Denkstrukturen zu identifizieren, denen man nicht deutlich genug entgegentreten kann.

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