Die Stadt Zwickau im Spätmittelalter und Früher Neuzeit – Ein wirtschafts-, sozial- und rechtsgeschichtlicher Überblick

von Tommy Schmucker am 14.08.2005

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Möchte man einen Überblick über die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Zwickauer Geschichte erhalten, so ist man (leider) immer noch auf die umfassende und detailgetreue, aber auch betagte und in vielen Fällen mittlerweile korrekturbedürftige, Zwickauer Chronik von Emil Herzog1 angewiesen. Eine Chronik neueren Datums stellten Michael Löffler und Norbert Peschke zur Verfügung2, welche jedoch für die hier in Frage kommende Zeit hauptsächlich aus der reichhaltigen »Herzog-Chronik« und dazu in einem »populärwissenschaftlichen Sinn3« schöpften. Eine Vielzahl von Untersuchungen liegen dagegen zu verschiedenen einzelnen Themen vor. So untersuchte Manfred Kobuch die Bedeutung der Vorstädte für Zwickau in seiner Frühgeschichte in einer quellenkritischen Analyse4 und Oelsner, Stoye und Walther werteten die Ergebnisse archäologischer Grabungen für die frühe Zwickauer Kirchen(bau)geschichte aus5. Helmut Bräuer untersuchte sehr quellennah die Weigerung der Zwickauer Bürger dem im Jahr 1516 neugewählten Rat zu huldigen6. Ute Rosenbaum veröffentlichte eine Arbeit über die Armenpflege in der Stadt Zwickau in Spätmittelalter und Früher Neuzeit7. Die meisten Arbeiten zur Zwickauer Geschichte befassen sich jedoch dem Aufkommen und den Auswirkungen der Reformation und sind dementsprechend zeitlich angesiedelt8. Über Zwickau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erschien zuletzt eine Zusammenfassung9 von Reiner Groß.

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Zwickau wurde 1118 erstmals als »Territorium Zwickau10« in der Stiftungsurkunde einer Marienkirche erstmals erwähnt. Es ist davon auszugehen, dass in dieser Gegend eine zu einer Feudalburg gehörige Niederlassung bzw. ein Marktflecken bestand, denn die in der Urkunde erwähnte Erhebung eines »böhmischen Zolls« setzte eine Zollstelle voraus, die nur in Form einer solchen Burg11 existent sein konnte. Durch die von Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) gelenkte Siedlungsbewegung entstand nun aus diesem Gebilde eine frühstädtische Kaufmannssiedlung. Die Verleihung des Stadtrechts geschah vermutlich in den späten 1180er Jahren12. Ab dem Jahr 1206 begann zumindest eine zweite Ausbaustufe und 1212 wurde Zwickau erstmal als »oppidium« und 1258 als »civitas« erwähnt13. Mit dieser urkundlich nicht genau zu bestimmenden Erhebung zur Stadt bekamen die Zwickauer durch Privilegierung durch den Landesherren bestimmte Rechte zugesprochen. Zu diesen Regalien, welche für eine mittelalterliche Stadt typisch waren, gehörten neben dem Markt-, Zoll-, Stapel-, Jagd-, Fischerei-, und Flößereirecht auch die eigene Gerichtsbarkeit, das Bannmeilenrecht und die Wehrhoheit. Einige dieser Regalien, für Zwickau zum Beispiel die Gerichtsbarkeit, wurden gepachtet – das Recht wurde dem jeweiligen Herrn zeitlich abgekauft. Zwickau erhielt später sogar das Bergregal und das Münzrecht. Die durch diese Regalien realisierte relative Unabhängigkeit von den umgebenen Feudalherren, ermöglichte der Stadt Zwickau eine ökonomische Erstarkung und eine begrenzte politische Profilierung. Durch den Freikauf der Stadt von ihrem Landesherren Albrecht dem Entarteten und die Unterstützung durch König Rudolf von Habsburg, der die wettinische Oberherrschaft beseitigte, wurde Zwickau im Jahr 1290 in den Rechtsstatus einer Reichsstadt14 erhoben15. Mit dem Übergang des Reichslandes Pleißen im Jahr 1307 ging Zwickau wieder an die Wettiner über und verlor 1348 endgültig die Rechtseigenschaft als Reichsstadt und wurde landesherrlich16. Wenn man nun aber meint, dass sich dieser Übergang in eine landesherrliche Herrschaft sich negativ ausgewirkt hat, so wird man getäuscht. Der Landesherr wusste durchaus die Stadt Zwickau zu schätzen und zu fördern. Nicht umsonst soll Kurfürst Friedrich der Weise Zwickau als »Perle seines Landes« bezeichnet haben, war doch das Steueraufkommen Zwickaus viermal größer als das von Dresden17.

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Zwickaus Entwicklung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist eng verbunden mit der Reformation. Auch wenn »Zwickau ein Ursprungsort volksreformatorischer und wiedertäufischer Ideen und Handlungen« gelten kann18, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Reformation in Zwickau faktisch durch die städtische Administrative eingeführt wurde19. So verkündete als erstes der Franziskanerpater Friedrich Mecum, genannt Mycenius, in Zwickau lutherische Gedanken in seinen Predigten. 1520 setzte der Stadtrat dann Thomas Müntzer, eine Empfehlung Martin Luthers, als Prediger in Sankt Marien ein und hielt ihn gar noch nach Auslaufen des Vertrages weiterhin in der Stadt20. Erst nachdem sich Müntzer immer mehr mit den Armen der Stadt solidarisierte, seine Ansichten radikalisierte und Verbindung mit den Wiedertäufern um Hans von der Freystadt und Nicolas Storch, den sogenannten »Zwickauer Propheten«, aufnahm und so für eine kritische Lage in der Stadt verantwortlich war21, wurde er am 16. April 1521 entlassen und aus der Stadt verwiesen. Als dessen Nachfolger bestimmte der vom Stadtvogt Hermann Mühlpfort dominierte Rat den Theologen und Freund Luthers Nicol Hausmann. Mit dem Einsetzten Hausmanns im Mai 1521 wurde das lutherische Glaubensbekenntnis offiziell anerkannt und Zwickau wurde nach Wittenberg die zweite Stadt in Europa, in welcher die Reformation Einzug hielt22.

Wirtschafts- und Sozialstrukturen

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Durch die »Leipziger Teilung« im Jahr 1485 kam Zwickau zum ernestinischen Kurfürstentum Sachsen und Stadt und Amt gehörten somit, wie Schwarzenberg, das Vogtland, Altenburg, Borna, Grimma und Eilenburg zum »Thüringischen Teil«. Die östliche Begrenzung des Amtes Zwickau war gleichzeitig auch die Grenze zwischen ernestinischen Kurfürstentum und albertinischem Herzogtum Sachsens. Da die Stadt Schwarzenberg ebenfalls zum »thüringischen Teil« gehörte, übte der ernestinische Kurfürst die Landesherrschaft über wichtige Fundorte des erzgebirgischen Silberbergbaus aus. Durch die günstige geographische Lage und Nähe zum Silberbergbau und zur neuen Residenzstadt Wittenberg gewann die Stadt zunehmende Bedeutung. Den entscheidenden Impuls für seine Entwicklung erfuhr Zwickau mit dem 1469/70 beginnenden Silberausbringen am Schneeberg. Das sogenannte »große Berggeschrey« brachte sowohl wirtschaftliche und finanzielle Macht, wie auch politischen Einfluß und kulturelle Blüte. Durch weitreichende Beteiligungen an der Finanzierung der Ausbeute dieser Silberfunde und dem Erwerb von Teilen des Erzgebirgischen Bergregals schwang sich Zwickau ab dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts zur bedeutendsten Stadt im kursächsischen Territorium auf. Das ganze Schneeberger Silbererz wurde nach Zwickau gebracht und vor den den Stadtmauern in der Schmelzhütte geschmolzen und in der 1473 eigens eingerichteten Münze vermünzt. Die Silberausbeute war jedoch so groß, dass nicht alles vermünzt werden konnte. Der Überschuss an unvermünztem Silber wurde unter anderem nach Frankfurt a.M., Nürnberg und Venedig verkauft. In diesem Zusammenhang muss man besonders auf den Zwickauer Kaufmann Martin Römer verweisen, der durch Beteiligungen am Schneeberger Silberbergbau reich geworden ist. So reich, dass er die Pilgerfahrt nach Jerusalem 1479 des jungen Herzog Albrecht mit finanzierte23.

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Das Wirtschaftsleben Zwickaus bestand seit dem Mittelalter aus Fernhandel, Regionalmarkt — Zwickau besaß zwei Märkte — und Handwerk. Vor allem der nahegelegene Bergbau kam dem Handwerk zugute. Ganz besonders profitierten die Ausrüster für den Bergbau. Große Nachfrage gab es nach Bekleidung und Nahrungsmitteln. So gab es kurz nach 1500 in Zwickau 12 Handwerksinnungen von denen die Tuchmacherinnung mit 200 Meistern die größte und vermutlich auch älteste war24. 150 Jahre zuvor gab es nur 6 Innungen in der Stadt; nämlich die der Tuchmacher, Schmiede, Kramer, Fleischer, Bäcker und die der Schuster. Später kamen unter anderem noch die Innungen der Schneider (1380) und die Innungen der Messerschmiede, Gerber, Kürschner und Leinweber (Mitte des 15. Jahrhunderts) hinzu25. Alle Handwerker und Einwohner der Stadt, die nicht einer bestehenden Innung angehörten, begriff man unter dem Kollektivnamen der »Gemeine«. Das Tuchmachergewerke mit dem die meisten Einwohner Zwickaus direkt oder indirekt in Verbindung standen, wirkte sich am meisten auf Politik, Sozialstruktur, Stadtbild und Kultur aus26.

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Doch auch dem Braugewerbe sollte man eine nicht zu unterschätzende Bedeutung beimessen. Immerhin gebot Zwickau über eine Biermeile, die mehr als 30 Dörfer und Ortschaften einschloss und die ausschließlich das Zwickauer Bier trinken durften. Die Menge, die gebraut wurde lag zum Beispiel im Jahr 1509/10 bei der stattlichen Menge von 720 Gebräuden27. Und schließlich entspann sich unter anderem aus verschiedenen Brauordnungen ein Konflikt, an dessen Höhepunkt die gesamte Zwickauer Bürgschaft dem neugewählten Zwickauer Rat die Huldigung 1516/17 verweigerte28.

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War Zwickau noch in den Jahren 1350, 1439, 1457, 1463 und 1472 von der Pest heimgesucht, trat sie später erst wieder 1552 auf29. Diese epidemisch ruhigeren Jahre zwischen 1470 und 1550 und die günstige wirtschaftliche Entwicklung beeinflusste natürlich die Bevölkerungsentwicklung. Geht man für das Jahr 1470 noch von circa 4000 Einwohnern aus, verdoppelte sie sich bis zum Jahr 1530 auf circa 800030. Vor allem aus dem fränkischen, mitteldeutschen und oberdeutschen Raum wanderten Menschen nach Zwickau zu. Da aber Zwickau, ähnlich wie Leipzig oder Chemnitz, nur 400-500m innerhalb der Stadtmauern maß, bedeutete dies eine sehr hohe Gebäude- und Wohndichte. Bestanden die wenigen Häuser in Zwickau um 1350 noch aus Holz, wuchs ihre Zahl bis zum Jahr 1500 auf über 400 mehrgeschossige steinerne Häuser an. Zu jedem dieser Gebäude gehörte meist auch noch »Hauß und Hof«, also kleine Höfe und hölzerne Wirtschaftsgebäude31. Und auch die vier Vorstädte, welche nach den Toren — Oberes, Niederes, Frauen- und Tränktor — benannt wurden, sind seit dem 15. Jahrhundert beträchtlich gewachsen. 1536 machten die Vorstädte mehr als 380 Gebäude aus in denen 2600 Menschen wohnten und arbeiteten.

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Unter den gegebenen gesellschaftlichen Umständen war dieser rasche ökonomischen und kulturelle Aufschwung der Stadt mit sozialen Spannungslagen und Differenzen verbunden. Steigende Warenproduktion und rasch wachsende Einwohnerzahlen führten zu sozialer Differenzierung, der Polarisierung von arm und reich, einer beschleunigten Vermögensbildung sowie einer Vielzahl an Verarmungsvorgängen. Beschwerden und Aufruhr war die Folge32. Helmut Bräuer hat in seiner Untersuchung die Vermögenssituationen der Jahre 1496 und 1531 dargestellt und kommt zu folgenden Schlüssen33: Vom Ausgang des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des vierten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung um 64%. Die Zahl der Spitzenvermögenden verringerte sich. Die sozialen Widersprüche innerhalb der Hierarchie haben zugenommen, was nicht nur an der Zunahme der Armen und Mittellosen, sondern auch an einer Schrumpfung der Mittelschicht, der »bürgerlichen Besitzschichten« zu erkennen ist. Besonders ausschlaggebend scheint der Umstand gewesen zu sein, dass die Stadtarmen auf fast 2/3 der Einwohnerzahl anwuchsen34. Durch eine relativ ausgeprägte Armenfürsorge35 versuchte man die ärgsten Nöte abzufangen und in Hospitälern, wie Sankt Margarethen (später Sankt Georg), Sankt Johannis, Heilig Geist, Sankt Franziskus sowie im Franzosenhaus wurden Arme, Alte, Sieche und Kranke versorgt.

Rechtspflege

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Seit dem 15. Jahrhundert wählten die größten Handwerksinnungen36 zur Aufsicht ihre Viermeister. Besondere Gassenmeister schienen eine polizeiliche Aufsicht zu pflegen37. Die Stadtgemeinde oder »Gemeine« vertraten acht Gemeindeälteste, welche aber seit dem 1446 durch die sogenannten Viertelsmeister, welche aus dem Rat stammten, abgelöst wurden38. Ein neugewählter Rat wiederum musste sich zumindest seit dem Wechsel des Status von einer Reichsstadt zu einer wettinischen Landstadt vom Landesherren bestätigen lassen. Landesherrliche Bestätigungen für den neugewählten Rat liegen zumindest seit 1387 vor39. Der Rat selber fungierte, zumindest nach Bertold, Hahn und Schulze als eine »dritte Gerichtsbehörde«, welche die Strafgerichtsbarkeit in Bagatellsachen und auch Handlungen der »freiwilligen Gerichtsbarkeit« vornahm40.

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Die erste Gerichtsbehörde bildete das Stadtgericht. Die Gerichtsbarkeit dieses Gerichtes erstreckte sich innerhalb der Stadtmauern; mit Ausnahme des Schlosses Osterstein, des Schössers und teilweise des Amtmannes, die nur dem Landesfürsten unterworfen waren. Auf dem im Inneren der Stadt gelegenen »Grünhainer Hof«, dem Wirtschaftsgebäude der Zisterzienser zu Grünhain, war das Stadtgericht jedoch nur für die peinliche Strafgerichtsbarkeit zuständig. Da es dabei aber auch immer wieder zu Streitigkeiten und Kompetenzgerangel kam, schloss der Rat mit den Zisterziensern im Jahr 1515 darüber einen Vertrag41. Allerdings wurde dieser mit der Säkularisierung des Klosterbesitzes im Jahr 1533 hinfällig. Seit dem Jahr, von dem an die Stadt unter der Herrschaft des Markgrafen stand, also seit 1348, hatte der Zwickauer Rat das Recht alljährlich einen Stadtrichter und vier Schöffen bzw. Beisitzer zu wählen42. Der Stadtrichter musste jedoch vom landesherrlichen Amtshauptmann bestätigt werden. Um überhaupt die Möglichkeit zu haben Stadtrichter zu werden, musste man ehelich geboren sein, als auch mit mindestens 18 Mark in Zwickau angesessen sein. Für die Schöffen galt ein Mindestalter von 21 Jahren und ein Besitz von 10 Mark. Ebenso sollte ein Schöffe unbescholten sein43.

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Nachdem der Zwickauer Rat im Jahr 1350 die Dörfer Bellwitz44 und Osterweih von dem Herren Hans von Stein kaufte, schuf es gleichzeitig das Osterweih-Schultheßgericht45. Dieses Gericht war die zweite städtische Gerichtsbehörde. Die Organisation und die sachliche Zuständigkeiten des neu geschaffenen Gerichtes waren mit dem Stadtgericht gleich. Der Unterschied lag im Sprengel, also der topographischen Zuständigkeit, und den Gerichtspersonen46. Die Gerichtsbarkeit umfasste das Weichbild außerhalb der Ringmauern. Darunter fielen das ehemalige Dorf Osterweih, die Zwickauer Vorstädte und Zinsbauern einiger Nachbardörfer. Jedoch war das Weichbild nicht homogen. Vielmehr ähnelte einem Flickenteppich, bei dem sich Zwickauer Sprengel mit anderen abwechselten. Vor allem an den Grenzen der Gebiete, die unter die Zuständigkeiten der Grünhainer Zisterzienser fielen, gab es häufig, wie auch innerhalb der Stadtmauern, Konflikte47. Ebenso wie in der Stadt wurde der Schultheiß und die vier Schöffen jährlich gewählt48.

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Der Richter des Stadtgerichtes, der Schultheiß und die Schöffen49 beider Gerichte wurden aus dem Kreis der Ratsherren gewählt50. Ein Gerichtsherr konnte also nur werden, wer im Rat saß. Und da der Rat aber meist aus Handwerkern und Händlern, aber weniger aus Juristen bestand, handelte es sich bei den Zwickauer Gerichten vorwiegend um Laiengerichte. Auf zehn Gerichtspersonen kam im allgemeinen nur ein Jurist51. Die Funktion des Osterweih-Schultheßgerichtes erlosch erst im Jahr 1623, als es mit dem Stadtgericht zusammengelegt wurde52.

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Die Stadt hatte die volle Gerichtsbarkeit inne, musste sich jedoch bei Streitfällen, wie auch andernorts in Sachsen üblich, an den Schöffenstuhl in Leipzig wenden. Nur in den Jahren zwischen 1407 und 1444 hatte Zwickau nur die Niedere Gerichtsbarkeit inne. Der Landesherr hatte ab dem Jahr 1348 dem Zwickauer Rat sowohl die Niedere, wie auch die Obere Gerichtsbarkeit pachtweise überlassen. Im Jahr 1407, veranlasst durch den Ratsherr und markgräflichen Stadtvoigt Brückner und die darauffolgende »Steussing-Affäre53«, entzog der Landesherr der Stadt die Halsgerichtsbarkeit bzw. verpachtete sie nicht mehr. Erst im Jahr 1444 konnte der Rat die volle Gerichtsbarkeit für 4000 fl. Rh. wieder pachtweise erwerben und ging erst im Dezember 1617 für 5000 fl. erblich an Zwickau über54.

Anmerkungen:

1 Emil Herzog: Chronik der Kreisstadt Zwickau. Teil 1. Topographie und Statistik. Zwickau 1839 und Teil 2. Jahresgeschichte in zwei Abteilungen. Zwickau 1845. Beide Teile sind 1999 als Reprintausgabe erschienen.

2 Michael Löffler/Norbert Peschke: Chronik der Stadt Zwickau. Zwickau 1993.

3 So die Autoren selber: Löffler/Peschke: Chronik der Stadt Zwickau. S. 7.

4 Manfred Kobuch: Zur Frühgeschichte Zwickaus. Bemerkungen zu Stadt und Vorstadt im 12. und 13. Jahrhundert. In: Regionalgeschichtliche Beiträge aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt, 2 (1980), S. 49-64.

5 N. Oelsner/W. Stoye/T. Walther: Marienkirche und Nikolaikirche in Zwickau. Neue Erkenntnisse zur Frühgeschichte der Stadt. In: Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer Untersuchungen. Hrsg. vom Landesamt für Archäologie mit Landesmuseum für Vorgeschichte. Stuttgart 1994, S. 150-165.

6 Helmut Bräuer: Wider den Rat. Der Zwickauer Konflikt 1516/17. Leipzig 1999.

7 N. Oelsner/W. Stoye/T. Walther: Marienkirche und Nikolaikirche in Zwickau. Neue Erkenntnisse zur Frühgeschichte der Stadt. In: Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer Untersuchungen. Hrsg. vom Landesamt für Archäologie mit Landesmuseum für Vorgeschichte. Stuttgart 1994, S. 150-165.

8 Zu nennen sind hier Paul Wappler: Inquisition und Ketzerprozesse in Zwickau zur Reformationszeit. In: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend 9 (1908), S. 1-219. – Anne-Rose Fröhlich: Die Einführung der Reformation in Zwickau. In: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend 12, (1919), S.1-74. – Helmut Bräuer: Zwickau und Martin Luther. Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die städtische Kirchenpolitik in Zwickau (1527-1531). Hrsgg. von der Bezirksleitung des Kulturbundes und dem Bezirkskunstzentrum Karl-Marx-Stadt. Karl-Marx-Stadt 1983. – Susann C. Karant-Nunn: Continuity and Change: Some Effects of the Reformation on the Woman of Zwickau. In: The Sixteenth Century Journal 12 (1982) 2, S. 17-42. – Dies.: Zwickau in Transition, 1500-1547: The Reformation as an Agent of Change. Columbus 1987.

9 Reiner Groß: Zwickau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: 500 Jahre Ratsschulbibliothek Zwickau. 1498-1998. Hrsgg. von der Ratsschulbibliothek Zwickau in Verbindung mit dem Kulturamt Zwickau. Zwickau 1998, S. 160-175.

10 »in territoreio eius Zcwickaw«

11 Kobuch: Zur Frühgeschichte Zwickaus. S. 54 identifiziert den Standort der damaligen Feudalburg mit dem des heutigen Schloss Ostersteines. Vergleiche dagegen: Oelsner/Stoye/Walther: Marienkirche und Nikolaikirche in Zwickau. S. 161f, welche die von Kobuch vermutete Zollburg als Bauschutt aus dem 16. Jahrhundert identifizieren und eine wehrhafte landesherrliche Burg erst ab dem 13./14. Jahrhundert errichtet worden sei. Genaueres sollen aber erst erneute archäologische Grabungen ermitteln.

12 Vergleiche Kobuch: Zur Frühgeschichte Zwickaus. S. 62 und Oelsner/Stoye/Walther: Marienkirche und Nikolaikirche in Zwickau. S. 153.

13 Siehe Oelsner/Stoye/Walther: Marienkirche und Nikolaikirche in Zwickau. S. 153 und Groß: Zwickau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. S. 160.

14 Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Freie Reichsstadt, wie Rosenbaum: Liebestätigkeit und Armenpflege in der Stadt Zwickau. S. 20 meint. Darauf weißt schon Herzog: Chronik. Teil 2. S. 35-50 hin, der auch schon auf die Unterschiede der Status eingeht. Zum Unterschied zwischen Reichsstadt und Freie Reichsstadt vgl. auch F.B. Fahlbusch. »Freie Städte«. Lexikon des Mittelalters. CD-ROM-Ausgabe. Verlag J.B. Metzler o.O. 2000, LexMA4 895-896 und P.J. Heinig. »Reichsstädte«. Lexikon des Mittelalters. CD-ROM-Ausgabe. Verlag J.B. Metzler o.O. 2000, LexMA7 637-639.

15 Herzog: Chronik. Teil 2. S. 35-50.

16 Groß: Zwickau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. S. 160.

17 Ebenda, S. 163.

18 So ebenda, S. 167.

19 Siehe Karant-Nunn: Zwickau in Transition. S. 3 und ähnlich Groß: Zwickau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. S. 168.

20 Groß: Zwickau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. S. 167.

21 Ebenda, S. 167f.

22 Karant-Nunn: Zwickau in Transition. S. 6.

23 Groß: Zwickau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. S. 161. – Die Witwe des Martin Römer versteuerte im Jahr 1496 29639 fl., was in etwa 2800-3000 Ochsen entspricht. Siehe: Bräuer: Wider den Rat. S. 45.

24 Ebenda, S. 161. – Im Jahr 1540 zählte man laut Herzog: Chronik. Teil 1. S. 235 gar 230 Tuchmachermeister.

25 Herzog: Chronik. Teil 1. S. 239.

26 Bräuer: Wider den Rat. S. 38f.

27 Das sind immerhin ca. 3.000.000 Liter, wenn man 11 Faß zu je 420 Kannen (0,93l) auf ein Gebräu rechnet. Nach anderer Berechnungsgrundlage soll gar 24 Faß ein Gebräu fassen. Zu den Berechnungsgrundlagen und Zahlen siehe Bräuer: Wider den Rat. S. 96f, Anm. 22.

28 Siehe dazu die Arbeit von Bräuer: Wider den Rat.

29 Herzog: Chronik. Teil 1. S. 225.

30 Herzog: Chronik. Teil 1. S. 225 geht noch von ca. 10.000 Einwohnern aus (im Vergleich der Sterberegister der 1530er und der 1830er Jahre). Hildegard Berthold/Karl Hahn/Alfred Schultze (Hrsgg.): Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69. ( Quellen zur Geschichte der Rezeption; Bd. 3). Leipzig 1935, S. 2 bestimmen die Einwohnerzahl nach den Geschhossbüchern auf 7677 und Bräuer: Wider den Rat. S. 34 zählt für das Jahr 1530 ca. 7300 Einwohner.

31 Bräuer: Wider den Rat. S. 34.

32 Groß: Zwickau in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. S. 161. Vgl. mit Bräuer: Wider den Rat. S. 43 und passim.

33 Bräuer: Wider den Rat. S. 44f.

34 Ebenda, S. 46.

35 Vgl. mit Rosenbaum: Liebestätigkeit und Armenpflege in der Stadt Zwickau.

36 Gemeint sind die Tuchmacher, Bäcker, Fleischer, Schuster, Gerber, Schmiede und Messerschmiede. Vorher wählte jedoch nur die Tuchmacherinnung Viermeister, während die anderen Innungen zwei Geschworene zur Aufsicht hatten. Siehe Herzog: Chronik. Teil 1. S. 235.

37 Herzog: Chronik. Teil 1. S. 264.

38 Die bei Herzog: Chronik. Teil 1. S. 239 erwähnten »vier Verweser« sind vermutlich identisch mit den auf Seite 264 erwähnten Viertelmeistern.

39 Helmut Bräuer: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch »de anno 1348« aus sozial-, politik- und wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive. In: Sächsische Justizgeschichte, Bd. 9. Rechtsbücher und Rechtsordnung in Mittelalter und früher Neuzeit. Dresden 1999, S. 86.

40 Berthold/Hahn/Schultze: Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69. S. 4.

41 Ebenda.

42 Herzog: Chronik. Teil 1. S. 262.

43 Ebenda, S. 262.

44 Das jetzige Stadtviertel Pölbitz.

45 Siehe Herzog: Chronik. Teil 1. S. 262 und Berthold/Hahn/Schultze: Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69. S. 4.

46 Berthold/Hahn/Schultze: Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69. S. 3.

47 Die gesamte Gerichtsbarkeit in den Dörfern Crossen, Schedewitz, Bockwa, Hohndorf, Königswalde, Gerdorf, Hartmannsdorf und Lauenhain wurde am 9. Juli 1350 durch Kaiser Karl IV. für das Grünhainer Zisterzienserkloster bestätigt. Diese Dörfer lagen unmittelbar an den Grenzen zu Zwickauer Rechtsgebieten. Siehe auch Herzog: Chronik. Teil 2. S. 73f.

48 Herzog: Chronik. Teil 1. S. 262.

49 Die Anzahl der Schöffen konnte teilweise auch sechs betragen. Vgl. Berthold/Hahn/Schultze: Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69. S. 262.

50 Ebenda, S. 4. und Hans Planitz: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch. In: ZRG GA. 38 (1917), S. 321-366, hier S. 329.

51 Berthold/Hahn/Schultze: Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69. S. 4.

52 Herzog: Chronik. Teil 1. S. 262.

53 Im Jahr 1407 veranlasste der markgräfliche Stadtvoigt Conrad Brückner, dass der Landesherr die Hohe Gerichtsbarkeit nicht wieder an die Stadt Zwickau verpachtete. Der Ratsherr und ehemalige Bürgermeister und frisch vom Landesherren eingesetzte Stadtrichter Franz Steussing wurde verdächtigt und wegen Veruntreuung, Bestechlichkeit und anderer Vergehen (vor allem aber im Zusammenhang mit der Entziehung der Stadtgerichte) angeklagt und seines Amtes als Ratsherr entsetzt. Durch den Tod des Landesherrn sah der Rat in den Wirren eine Chance auf Wiedererlangung der vollen Gerichtsbarkeit. Vorauseilend ließ er Franz Steussing köpfen. Der neue Landesherr jedoch verlangte für diese Anmaßung eine Rechtfertigung und zitierte die hauptbeteiligten Ratsherren nach Meißen. Dort wurden diese der Anmaßung wegen ebenfalls zum Tode verurteilt. Von der »Steussing-Affäre« berichtet ausführlich Herzog: Chronik. Teil 2. S. 98-104. – Oswald Losan berichten über das Jahr 1407 in seinen Annalen: »Sein etzlich Erbarn bürger der stat Zwickau, als auch durch nutz ganzer stat und gemein, mit eigener vorbillung geanwurth gegen Meissen, und also von wegen gemeinen nutz zu vertedigen, ir leben dargestrackt. Mit Namen Peter Mergental, Hans Dithmar, Hans und Stefan Gulden. Ligen zu Meissen in sant Afren kirche.« Zitiert nach Ernst Fabian: Die Oswald Losanschen Annalen der Stadt Schwanfeld oder Zwickau von 1231-1534. In: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend. 10 (1910), S. 1-68, hier S. 19.

54 Siehe Herzog: Chronik. Teil 1. S. 263 und zuletzt Bräuer: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch. S. 84.